Zen Sounds 020: Interview mit FloFilz
Ein Gespräch über Musik als Therapie, Whitewashing in der Lo-Fi-Szene und die Relevanz der Noten, die man nicht spielt
Ein sonniger Frühlingsvormittag, FloFilz und ich sitzen auf einer Bank im neuen Skatepark am Berliner Mauerpark. Aufgewachsen zwischen Bochum, Belgien und Aachen, lebt der Sohn zweier Berufsmusiker inzwischen in Berlin-Moabit. Sein neues Album »Close Distance« nahm er in der Pandemie mit Kollaborateur*innen aus der UK-Jazz-Szene wie Alfa Mist, Blue Lab Beats oder Jerome Thomas auf. Manche Sessions fanden live in Londoner Studios statt, andere mussten digital passieren. »Close Distance« beschreibt insoweit nicht nur das Lebensgefühl der Pandemie, sondern auch den Modus Operandi der Albumproduktion.
Mit staubigen, süßlichen Jazz-Loops sammelte FloFilz in den letzten Jahren Fantastilliarden von Streams über Playlisten, die oft als relaxte Klangtapete für Cafés, Streetwear-Boutiquen und Wohngemeinschaften dienen. Inzwischen scheint es ihm wichtiger geworden zu sein, diese Loops als Basis für interessante Songs zu nutzen, anstatt weiterhin nur das Futter für jene Studierlisten zu liefern, die längst auch zur Zielscheibe von jeder Menge Spott und Neid geworden sind. »Close Distance« ist ein wichtiger künstlerischer Schritt für ihn, geradezu eine Emanzipation. Doch etwas ist geblieben: Die ausgeglichene, beinahe Zen-hafte Qualität seiner Musik. Ein Gespräch über Musik als Therapie, Whitewashing in der Lo-Fi-Szene und die Relevanz der Noten, die man nicht spielt.
Deine letzten Alben hatten stets ein Robert-Winter-Foto als Cover, dazu seid ihr jeweils in eine andere europäische Metropole gereist – nach Paris für »Metronom«, nach Lissabon für »Cénario«, nach London für »Transit«. Diesmal hast du dich für eine Zeichnung des indonesischen Illustrators Fatchurofi entschieden, der sich von japanischen Holzschnitten beeinflussen ließ. Wie kam es dazu?
Wegen Corona konnten wir die Reihe mit Robert leider so nicht weiterführen. Außerdem wollten wir auch einfach mal was anderes machen. Ich hoffe trotzdem, dass wir an die Reihe zu einem gewissen Zeitpunkt wieder anknüpfen können. Jedenfalls habe ich lange bei Instagram nach Illustrator*innen geschaut, die gut passen könnten und in deren Stil ich die Musik wiederfinde. Über einen Post von Khruangbin bin ich auf Fatchurofi gekommen, der eine Illustration für eines ihrer Konzerte gemacht hatte. Die ist mir direkt ins Auge gesprungen. Ich hab sie Olski [Gründer von MPM, Anm. d. Verf.] geschickt und der meinte: Ah, von dem hab ich mir vor zwei Wochen einen Print bestellt. Das gab mir direkt ein gutes Gefühl. Der hatte auch Bock, er hatte schon Artworks für ähnliche Platten gemacht und fand die Musik cool. Von uns gab es nicht viele Vorgaben, außer halt den Albumtitel. Alles andere kommt von ihm.
Was stellst du dir unter »Close Distance« vor?
Musikalisch ist in der Albumproduktion viel über die Distanz abgelaufen, gerade mit den Features, einfach weil es nicht möglich war, sich in Person zu treffen. Diese Distanz kam also schon aufgrund der Regeln und Bestimmungen zustande. Andererseits hatte ich aber auch das Gefühl, dass ich in der Pandemie vielleicht ein bisschen mehr zu mir selbst gefunden habe, weil ich eben noch mehr Zeit mit mir verbracht habe.
Auf dem Cover öffnet sich diese Tür ins Meer. Türen sind oft Symbole für neue Ebenen in der Wahrnehmung oder im Bewusstsein. Ich musste an die »Doors of Perception« von Aldous Huxley denken.
Für mich waren es eher musikalische Türen. Ich wollte mich neuen Ideen und Inspirationen öffnen und diesmal ein bisschen andere Wege gehen.
Du bist deinem Trademark-Sound in den letzten zehn Jahren schon relativ treu geblieben. Was sind konkret die neuen Ansätze auf diesem Album?
Der Sound geht ein bisschen weg von dem Hip-Hop-Boombap-Ding, wobei das schon auch noch vorhanden ist. Wohin es sich entwickelt hat, kann ich gar nicht so richtig gut beschreiben. Teilweise wird es organischer, jazziger, der Song mit Jerome Thomas zum Beispiel geht in so eine Neo-Soul-Richtung. Die Musik, die ich selbst höre, hat sich auch geändert. Ich höre nicht mehr so viel klassische Beats, sondern viel Neo-Soul und Neo-Jazz, oder wie auch immer du das nennen willst, aus UK. An dieser Szene in London mag ich gerade, dass verschiedene Genres, Ebenen und Einflüsse zusammenfließen. Das wollte ich auf diesem Album auch erreichen.
Du bist vor einem Jahr nach Berlin gezogen. Vorher hast du lange in Aachen gelebt, richtig?
Ja. In Aachen war nicht so viel los, was die Beat-Szene angeht. Wobei ich positiv überrascht war, wenn ich zum Beispiel mal in dem lokalen Plattenladen eine kleine Beat-Session gemacht habe und wirklich viele Leute gekommen sind, womit ich gar nicht so gerechnet hatte.
Wäre es angesichts deiner musikalischen Interessen nicht sinnvoll gewesen, direkt nach London zu gehen?
Mit dem Gedanken habe ich auch gespielt, kurz vor der Pandemie. Dann haben sich die Pläne aber wieder zerstreut. Ich könnte es mir immer noch gut vorstellen, selbst wenn es nicht permanent wäre, sondern einfach nur für ein paar Monate oder ein halbes Jahr. Ich habe ja das Glück, dass jetzt schon einige Connections da sind, da könnte man bestimmt noch mehr draus machen und das Thema weiterspinnen.
Hast du hier in Berlin auch ein musikalisches Umfeld gefunden?
Ich habe schon viele Freunde durch die Musik hier, zum Beispiel digitalluc oder Made in M. Mit denen habe ich in der Pandemie am meisten abgehangen. Sonst knüpft man ja viele Kontakte bei Konzerten und Events, und da ging im letzten Jahr halt nicht viel.
Wie bist du mental durch die Pandemie gekommen?
Wie alle hatte ich so meine Hochs und Tiefs. Einerseits konnte ich mich mehr konzentrieren auf das, was ich wirklich machen wollte und habe dadurch auch mehr zu mir selbst gefunden. Für mich war es vielleicht nicht so schwer wie für andere, weil ich ohnehin nicht so der Typ bin, der das Soziale extrem braucht. Ich muss nicht jedes Wochenende irgendwo sein und mich alle paar Tage mit Leuten treffen. Ich lebe eher zurückgezogen, so dass es mich gar nicht so krass beeinträchtigt hat. Andererseits war es teilweise schon sehr schwierig. Natürlich haben mir die Auftritte gefehlt. Gerade die Connection zu den Fans – ich mag das immer sehr. Bei den meisten Gigs komme ich nach der Show noch ins Gespräch mit den Leuten.
Viele introvertierte Künstler*innen haben ja eher ein Problem mit Live-Gigs und Fan-Kontakt.
Ich bin ja auch eher introvertiert und würde mich nicht gerade als Rampensau bezeichnen. (lacht) Aber diese Beat-Sets kamen bei mir einfach sehr früh schon dazu. Das hat natürlich geholfen. Ich habe einfach ständig irgendwo live gespielt und nach einige Zeit war es auch nicht mehr so eine krasse Überwindung. Und wie gesagt, die Verbindung zu den Leuten über die Musik war mir immer wichtig.
Du hast in einem Interview gesagt, dass du hoffst, dass deine Musik Menschen vielleicht sogar durch die Pandemie hilft. Ein schöner Gedanke: Du machst es dir selbst leichter, indem du diese Musik produzierst, und anschließend macht sie es den Hörer*innen leichter.
Schön gesagt, das wäre natürlich das bestmögliche Ergebnis. Für die meisten Künstler ist Musik ja auch eine Form von Eigentherapie. Bei dir ist es doch bestimmt mit dem Schreiben ähnlich, oder?
Ja, klar. Mein Buch war zu großen Teilen eine Therapiearbeit.
Und wenn das Ergebnis anderen Leuten auch etwas gibt, ist das halt schon das Beste, was passieren kann. Mir haben jetzt auch schon ein paar Hörer*innen geschrieben, dass meine Musik ihnen sehr geholfen hat, durch diese Zeit zu kommen. Genau dafür macht man es ja – ganz unabhängig von Streams und so weiter.
Gleichzeitig hast du auch wahnsinnig viele Streams generiert. Du bist ja ein Vorreiter dieser Lo-Fi-Welle…
(unterbricht) Naja, ich weiß nicht, ob ich mich als Vorreiter bezeichnen würde. Ich wurde ja auch inspiriert von Producern wie zum Beispiel Hubert Daviz, Dexter oder Twit One. Die ganze Szene, die schon da war, als ich angefangen habe. Aber das war ja noch eine ganz andere Zeit. Streaming hat damals keinen so wirklich interessiert. Wir haben bei »Metronom« noch ernsthaft überlegt, ob wir das Album überhaupt bei Spotify hochladen sollen. Damals ging es mehr um die Vinyl-Verkäufe und heute geht es eben mehr um Streaming und Playlisten.
Ich meinte das mit dem Vorreiter auch tatsächlich auf diese Lo-Fi-Playlisten-Welt bezogen, nicht allgemein auf Instrumental-Hip-Hop, dessen Wurzeln man leicht bis in die 1990er-Jahre zurückverfolgen kann.
Ich habe immer einfach nur den Sound gemacht, auf den ich gerade Bock hatte. Am Ende ist Lo-Fi auch nur ein neuer Trend-Name, der irgendwann aufgekommen ist. Klar, wenn du Lo-Fi sehr eng definierst, dann ist das schon was anderes als mein Sound. Da hat ja auch jede*r andere Ideen und Vorstellungen, vor allem auf Social Media. Aber letztlich sind das doch alles Abwandlungen von Instrumental Hip-Hop.
In meiner Wahrnehmung ist es einfach ein Synonym geworden. Die meisten, die den Begriff verwenden, bezeichnen damit ja schon längst nicht mehr diese Beats mit ganz viel Rauschen, Knacksen und Tape-Ästhetik.
Stimmt, es ist einfach der Überbegriff geworden, ähnlich wie Chillhop oder Jazzhop. Aber bei Twitter gibt es jede Menge Diskussionen über die Definitionen der einzelnen Genres. Neulich habe ich dort auch gelesen, Lo-Fi sei »gentrified hip-hop«. Und ja, auf eine gewisse Weise ist da bestimmt was dran. Es hängt immer davon ab, ob und wie man sich mit den Ursprüngen der Musik auseinandersetzt. Bei manchen jüngeren Producern, die erst seit kurzer Zeit dabei sind, fehlt es nach meinem Gefühl an dieser Auseinandersetzung. Die springen halt auf den Lo-Fi-Zug auf, weil es seit ein paar Jahren diesen Hype gibt.
Wenn du ein weißer, 19-jähriger Dude bist und Lo-Fi Beats produzierst, dann hast du meines Erachtens die Verpflichtung, dich über die kulturellen Wurzeln von Hip-Hop zu informieren. Alles andere ist Whitewashing.
Ja, und auf eine gewisse Weise bin ich natürlich auch Teil davon. Aber ich versuche schon, mich intensiv mit den Ursprüngen zu beschäftigen. Man kann sicher viel darüber diskutieren. Neulich habe ich auf Twitter mitbekommen, dass es wohl so eine Beat-Compilation mit japanischer Ästhetik und Thematik gab, aber im Endeffekt waren überhaupt keine japanischen Beatmaker darauf vertreten, sondern nur Europäer.
Oft weiß man es auch einfach nicht, weil diese Musik so anonym ist und alle nur mit irgendwelchen Illustrationen in Erscheinung treten. Auch beim Thema Gender, wobei gefühlt immer noch viel zu wenig Frauen in der Lo-Fi-Szene aktiv sind.
Es sind wahrscheinlich immer noch zu 90 Prozent Männer. Ich stelle es mir auch wirklich nicht so leicht vor, als Frau in dem Genre Fuß zu fassen. Es wäre aber definitiv zu wünschen, dass da noch mehr in die Richtung passiert. Bei Instagram und Twitter sehe ich jetzt schon mehr als noch vor ein paar Jahren. Es wird besser, sag ich mal.
Es ist ein strukturelles Problem. Mädchen und Frauen werden nicht ermutigt, Beats zu machen. Und sie sehen eben auch kaum andere Mädchen und Frauen, die das tun – und wenn doch, gibt es meist dumme, sexistische Sprüche in den Youtube-Kommentaren.
Ja. Ich denke, dass sich das in den kommenden Jahren ändern wird. Diese Grenzen in den Köpfen gehen immer weiter zurück. Es ist doch am Ende vollkommen egal – jede*r kann diese Musik machen.
Ich würde gern mit dir über deinen Professor sprechen, bei dem du Geige studiert hast. Du hast mal erzählt, dass er dir viel mitgegeben hat, vor allem im Zusammenhang mit dem Fokus auf den Noten, die man nicht spielt.
Er hat mir allgemein sehr viel mitgegeben, aber das war eine Sache, die mir sehr stark im Kopf geblieben ist. In dem Fall bezog es sich auf die Geige, aber man kann das auch aufs Musikmachen allgemein beziehen. Es geht darum, dass man gerade zwischen den Tönen und Noten, wo eigentlich ja nichts ist, eine bestimmte Energie spürt. Das hat er verglichen mit der Energie im Universum, jener Anziehungskraft zwischen den Planeten oder auch innerhalb der Atome, zwischen den Protonen und Elektronen. Der Abstand ist natürlich minimal, aber wenn man auf den Maßstab des Universums geht, herrschen da unglaubliche Energien. Dieses Konzept auf die Musik anzuwenden, war ihm ein Anliegen. Dass wir diese Energie spüren, gerade in den Pausen und an den Stellen, wo keine Noten sind. Dass man diese Stille ausfüllt mit seiner Präsenz, darum geht es bei dem Konzept.
Ich muss da sofort an J Dilla denken. Du bist ja – wie fast alle Lo-Fi-Beatmaker – ein Dilla-Schüler. Er hat diese Energie in Perfektion genutzt. Dan Charnas hat in seinem neuen Buch »Dilla Time« sogar ein Notationssystem entwickelt, um aufzuzeigen, wie Dilla-Beats funktionieren.
Das Buch habe ich mir auch schon bestellt, aber es dauert irgendwie schon ewig und ist immer noch nicht angekommen. (lacht) Das ist jedenfalls dieser bestimmte Drum-Swing bei Dilla, wo die Abstände einfach anders sind als sonst üblich. Er war generell ein Meister darin, aus weniger mehr zu machen. Was er macht, ist ja oft sehr schlicht und es passiert gar nicht so viel, aber trotzdem spürt man immer diese Energie. Es ist sehr schwer in Worte zu fassen.
Wir sind hier letztlich mal wieder bei einer spirituellen Dimension von Musik.
Voll. Aber ich denke, es war für ihn bestimmt auch ein spirituelles Erlebnis, an der Musik zu arbeiten. Wenn ich seine Musik höre, lande ich teilweise komplett in einer anderen Welt. Aus ganz wenigen Noten hat er sehr viel gemacht. Das ist so beeindruckend. Er war ein absoluter Vorreiter und ein Vorbild.
Was diesen Minimalismus angeht, ist John Cage natürlich auch ein Vorreiter. Sein berühmtes Stück »4’33« enthält gar keine Noten.
Ich denke, dahinter steckt ein ähnliches Konzept. Ich habe während des Studiums mal ein Stück von Cage gespielt, mit einem kleinen Orchesterensemble. Die Partitur war im Prinzip angelehnt an eine Sternkarte. Er hat die Planeten quasi auf das Notenpapier abgepaust. Jeder Musiker war an einer anderen Stelle im Raum positioniert und konnte selbst entscheiden, wann er spielt und wann es vielleicht besser ist, nicht zu spielen.
Inwiefern spielt Minimalismus bei dir eine Rolle? Gibt es so Rick-Rubin-Momente, wo du von 30 Spuren einfach nur noch fünf stehenlässt und alles andere wegwirfst?
Es kommt relativ oft vor, dass ich im Nachhinein wieder etwas rausnehme aus einem Track. Ich probiere halt viel aus und füge verschiedene Spuren hinzu, aber oft ist es so, dass ich am Ende denke, das braucht es vielleicht gar nicht unbedingt. Wobei es natürlich cool ist, wenn man ein neues Element findet, das den Track auf ein neues Level hebt; wenn man die richtige Balance zwischen den Elementen in dem Track findet. Es macht Spaß herauszufinden, was funktionieren kann.
Da hilft dir die musikalische Ausbildung, oder?
Vielleicht schon, vor allem durch das Spielen im Orchester. Wobei das ein extremes Beispiel ist, weil man im Orchester ja teilweise hunderte Instrumente hat. Man versteht vielleicht die Ebenen besser, aber viele Entscheidungen basieren einfach auf Instinkt – und natürlich spielt auch die Erfahrung mit rein.
Manche deiner am meisten gestreamten Songs sind sehr einfache Loops.
Ja. (lacht verlegen)
Ausgeklügeltere, dynamischere Kompositionen funktionieren nicht so gut als Hintergrundmusik. Wie sehr spielen solche Erwägungen eine Rolle bei der Produktion eines Albums?
Ich versuche, eigentlich nicht dran zu denken. Auf dem neuen Album ist es so ein bisschen halb-halb, es sind ja recht viele Features geworden. Ich wollte weg von diesem Gedanken, dass bestimmte Tracks besser funktionieren, weil sie vielleicht simpler sind und die Leute nicht so fokussiert sein müssen. Denn eigentlich will man doch gerade, dass die Leute fokussiert sind beim Hören – im besten Fall. Vor allem in diesem Genre ist man immer hin- und hergerissen, den richtigen Weg zu finden. Ich mag die Idee, dass man es ein wenig aufteilt: Die Feature-Songs sind etwas ausgeklügelter, andere Tracks sind klassischer und geben etwas Ruhe. Auch bei diesem Album waren viele solche Gedanken da, aber am Ende habe ich es aus Instinkt gemacht: Nicht: Was wollen die Leute wohl hören? Sondern: Was fühlt sich richtig an? Aber man ist schon beeinflusst von der ganzen Playlist-Maschinerie. Automatisch hat man das schon ein bisschen eingeprägt. Davon wollte ich aber, wie gesagt, ein bisschen weg bei diesem Album.
Hast du schon mal mit dem Gedanken gespielt, einen Track ohne Drums zu produzieren?
Auf jeden Fall. Ich habe ein paar Sachen, die noch nicht veröffentlicht wurden, die in die Richtung gehen. Auf diesem Album gibt es eher die Tracks, wo die Drums sehr organisch geworden sind und nicht so Boombap-mäßig. Ich mag auch diese Beats im neueren US-Rap, von Madlib oder anderen Producern, wo man kaum noch Drums hört. Ich finde das cool, aber ich glaube, das funktioniert nicht in Albumform, sondern eher mit Vocals. Vielleicht wenn ich nochmal mit einem Rapper was mache.
Lo-Fi oder Instrumental-Hip-Hop ist für mich auch eine Form von Ambient-Musik, sowohl nach der klassischen Definition von Brian Eno als auch von der Nutzung her. Im Ambient geht es ja oft um die Imitation von Naturgeräuschen. Ein spannender Ansatz für dich?
Ja, ich probiere auch manchmal, mit Synthesizern bestimmte Naturgeräusche nachzuahmen. Mit der Geige könnte man da bestimmt auch mehr machen. Ich mag diese japanischen Ambient-Platten aus den 1980er-Jahren mit ganz viel Wassergeräuschen und Wald-Atmosphäre, die eher schon in Richtung Soundscapes gehen. Ich höre das einfach gern, weil es heute so einen Überfluss von Musik gibt. Man wird überall und ständig beschallt, und auch die schiere Menge an Releases ist reizüberflutend. Diese Musik ist für mich so ein Gegenpol. Obwohl es natürlich auch Musik ist, kann man damit gut die eigenen Einflüsse resetten und ein bisschen runterkommen. So etwas würde ich künftig auch gern mehr einbauen und generell mehr in diese Soundscape-Richtung gehen.
Du hast von Anfang an solche friedliche, ruhige Musik gemacht. Was zieht dich daran an? Andere wollen ja zu Beginn eher Krach machen.
Das spiegelt wohl irgendwie meine Persönlichkeit wieder. Ich bin eben eher der ruhige Typ und hab mich darin wiedergefunden. Auch im Jazz mochte ich schon immer die Balladen, sogar bei Spiritual Jazz sind es eher die besonneren Songs anstatt die richtig wilden Free-Sachen, die mich ansprechen. Das hängt natürlich mit dem Sample-Gedanken zu tun, weil man Musik, wo richtig viel los ist, nicht so gut und vielseitig verwenden kann. Aber selbst auf der Geige haben mich eher die ruhigeren Stücke abgeholt, nicht diese krass schnellen und virtuosen Geschichten. Mir geht es immer mehr ums Gefühl als um Angeberei. Und das hat sich bis heute so weitergesponnen.
Was bedeutet dir MF DOOM, dass du ihm auf dem Album den Track »One4Dumile« widmest?
Er war eine riesige Inspiration, eine echte musikalische Legende. Nicht nur sein Rap, der mir auch viel bedeutet – vor allem seine Beat-Volumes [»Special Herbs«] habe ich ohne Ende gehört. In meinem Song ist ja auch ein Akkordeon-Sample drin, also musste ich automatisch an einen seiner berühmtesten Tracks denken. Durch den Titel wollte ich etwas zurückgeben, als eine Art Hommage, weil er ja nun nicht mehr unter uns weilt. Es ist einfach als ein Dankeschön gedacht.
»Close Distance« von FloFilz jetzt bei Spotify hören oder auf Vinyl kaufen.
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© 2022 Stephan Kunze